Demenziell erkrankten Menschen Wertschätzung und Gemeinschaft schenken
Heide Gottschalk leitet ehrenamtlich die KaffeePause im Altenheim Rotkreuzstift in Neustadt
Für Menschen mit Demenz ist eine fachkundige Betreuung hilfreich, für pflegende Angehörige eine Auszeit oft dringend nötig. Das wöchentliche Angebot KaffeePause der DRK Schwesternschaft Rheinpfalz-Saar e. V. vereint beides und hilft, die Beziehung zwischen pflegenden und gepflegten Familienmitgliedern zu entspannen. Denn auch mit der Krankheit sind positive gemeinsame Erlebnisse möglich. Heide Gottschalk, Wahl-Neustadterin seit 30 Jahren und Fördermitglied der DRK Schwesternschaft, ist seit den Anfängen der KaffeePause ehrenamtlich dabei.
„Das schönste Kompliment, das meine Gäste mir machen können, ist der Satz ‚Ich möchte aber noch bleiben‘ – da weiß ich, dass ich ihr Leben bereichern konnte“. Heide Gottschalk lächelt, wenn sie von ihrem Lieblingsprojekt erzählt. Seit 2012 leitet die ehemalige Krankenschwester ehrenamtlich die KaffeePause der DRK Schwesternschaft in Neustadt, ein Angebot für Menschen mit Demenz und deren pflegende Angehörige. Den Angehörigen eine Atempause schenken, mit dem guten Gefühl, dass ihre Lieben von der Betreuung sogar profitieren, das ist ihr Ziel. Viele der Teilnehmer kommen bereits seit Jahren in die KaffeePause, in der immer ein Stück frischer Kuchen auf sie wartet. Manche kennen sich inzwischen untereinander, andere lernen Heide Gottschalk jede Woche neu schätzen. Menschen mit unterschiedlichen Demenzgraden, unterschiedlichen Lebensläufen und Interessen kommen mittwochs im Altenheim Rotkreuzstift zusammen. Dass sie alle von dem Angebot profitieren, ist der Anspruch von Heide Gottschalk und ihren Kolleginnen. „Wir betreuen unsere Gäste fachkundig, leiten sie an, Erinnerungen hervorzuholen, sie zu stärken, alltagspraktische Fähigkeiten zu trainieren. Mindestens ebenso wichtig ist aber das Beisammensein und ihnen zu zeigen, was sie trotz der Krankheit noch alles können. Ihnen zu vermitteln, dass sie ihren Wert haben und als Persönlichkeit wahrgenommen werden.“
Fachkundig und mit Leidenschaft
Um der Aufgabe gerecht zu werden, hat Gottschalk ein Validationstraining absolviert und sich bei der Alzheimergesellschaft schulen lassen. Die soziale Ader zeigte sich bei ihr früh, als sie im Deutschen Roten Kreuz eine Ausbildung zur Kindergärtnerin begann. Es sollte die Krankenpflege werden, der sie ihr Berufsleben widmete, und die Altenpflege, in der sie sich nach Renteneintritt engagierte. Auf dem Gesundheitstag in Neustadt lernte die damals neunundsechzigjährige 2012 schließlich das Altenheim Rotkreuzstift kennen. „Ich fragte die damalige Leitung geradeheraus, ob ich bei ihnen ehrenamtlich was reißen könnte. Zuhause sitzen, das ist bis heute mein Credo, kann ich auch später noch.“ Schnell war klar, dass die KaffeePause Gottschalks Kind werden würde. Sie gestaltete mit, optimierte die Struktur und hatte maßgeblichen Anteil daran, dass das junge Angebot eine feste Größe wurde. Als Fachkraft brachte sie die notwendige Qualifikation mit, bildete sich weiter und steckt bis heute für jedes Treffen Energie und Herz in die Vorbereitungen. „Es ist wichtig für unsere Gäste, dass sie einerseits Rituale und Vertrautes haben, den Kopf aber andererseits mit neuen Eindrücken trainieren. Bei uns steht immer gleich der Kuchen auf dem Tisch, in wechselnder Tischdekoration. So ergeben sich auch direkt Gespräche und Anknüpfungspunkte.“
Spielerische Angebote, Gymnastik, Singen, Basteln oder auch mal ein Spaziergang stehen auf dem Programm. Die größte Herausforderung sieht Gottschalk darin, unabhängig vom Demenzgrad jeden einzubeziehen, ohne die individuellen Bedürfnisse zu ignorieren. Daher bereitet sie für jede KaffeePause ein Programm vor, nimmt aber spontane Entwicklungen auf. „Das wichtigste ist, auf die Menschen einzugehen. Es soll meinen Gästen gut gehen.“ Ab und an ein kurzes Nickerchen zu halten, um das Erlebte zu verarbeiten, ist daher genauso in Ordnung wie beim Ausschneiden von Schuhmotiven von der ersten Tanzstunde zu erzählen, bei der solche Schuhe in waren. Aus der Frage nach der persönlichen Bedeutung von Glück ergeben sich bewegende Gespräche, ein anderes Mal wird beim pantomimischen Darstellen von Musikinstrumenten gemeinsam gelacht. Gerne lässt Gottschalk Elemente aus der Pfalz einfließen, denn Heimatverbundenheit bleibt lange erhalten und öffnet die Tür zu verloren geglaubten Erinnerungen. So blüht einer ihrer Gäste, ursprünglich ein Nordlicht, beim Lied An der Nordseeküste auf. „Angehörige sind immer wieder erstaunt, wieviel sich unter dem zunehmenden Verstummen verbirgt. Wir haben Gäste, die sich im Spiegel nicht erkennen, aber mich im Rechnen schlagen. Andere vergessen zusehends ihre Kinder, doch wenn man die richtigen Zugänge liefert, sind vielfältige, lebendige Bilder aus dem Leben wieder da.“
Die Beziehung zwischen pflegenden Angehörigen und Erkrankten verbessern
Für das Team ist es wichtig, auch Raum für Gespräche mit den Angehörigen zu haben. So erfahren sie viel über die Gäste und können sich auf jeden Menschen einstellen. Gleichzeitig ist es Gottschalk ein zentrales Anliegen, die Angehörigen zu unterstützen. Schulungen über den Umgang mit Demenz sind hilfreich, doch oft sind Angehörige so eingespannt, dass diese Angebote nicht wahrgenommen werden. Über die KaffeePause erhalten sie Rückmeldungen und Impulse. „Schöne gemeinsame Momente sind möglich“, betont Gottschalk. „Oft können mit ganz einfachen Mitteln Wege gefunden werden, miteinander zu interagieren. Einen Turm aus Korken bauen, Riesenmikado spielen, einen Salat gemeinsam machen. Auch ein Mensch, der abwesend scheint, beherrscht diese Tätigkeiten häufig – und genießt es, Teil zu sein und etwas zu schaffen. So lässt sich auch das Voranschreiten der Demenz verzögern.“
Gottschalk freut sich über weitere Gäste zur KaffeePause im Rotkreuzstift. Für sie ist ihr Engagement Struktur und Motor, die Begegnungen mit Menschen wertvoll. „Diese Aufgabe zu haben hat mir über schwere Zeiten geholfen“, stellt sie fest. „Und jedes Lächeln, das wir hervorzaubern können, macht auch mein Leben reicher. Wenn ich dazu noch sehe, dass die Beziehung zwischen Pflegenden und Gepflegten sich verbessert, ist das das schönste Geschenk.“
August 2019